No mud, no lotus

1. Mai 2025 durch
No mud, no lotus
Zeno Peereboom

Wer kennt es nicht? Flucht vor einer Situation, vor Unbehagen oder vor Emotionen. Es ist menschlich und jeder hat damit schon einmal zu tun gehabt.

Flucht
Wir fliehen vor einer schwierigen Situation, weil wir nicht wissen, was wir tun oder wie wir uns verhalten sollen. Oder weil wir uns der anderen Person oder einem bestimmten Thema nicht stellen wollen.

Wir fliehen vor Unbehagen in unserem Körper, zum Beispiel um das Gefühl von Unruhe, einen leeren Magen oder das Hungergefühl zu vermeiden. Oder wir fliehen vor einer Emotion: Traurigkeit, Schmerz, Einsamkeit, Stille oder einem unerfüllten Verlangen.

Man kann auf verschiedene Arten fliehen. Die meisten von uns sind darin enorm geschickt. Indem man einen Termin absagt, vor dem Fernseher starrt, viel am Smartphone oder Tablet hängt, dem anderen die Schuld gibt, warum das Abnehmen nicht gelingt, das Bedürfnis hat, die Vereinbarung mit sich selbst zu sabotieren, oder indem man ein Ereignis oder eine Emotion „wegisst“. Vor allem die letzten drei Themen begegne ich häufig in meiner Praxis.

Ein Mensch vermeidet von Natur aus Schmerz. Das ist eine Überlebensstrategie, die tief in unserem alten Gehirn verankert ist. Schmerz bedeutete damals oft den Tod. Ein leerer Magen war das Signal, dass du auf Nahrungssuche gehen musst, sonst würdest du nicht überleben. Damals sehr effektiv, heute besonders hinderlich.

Genuss
Wir fühlen uns lieber wohl und suchen deshalb Genuss. Genuss ist zum Beispiel Netflix schauen, Social Media, viel arbeiten, extra viel Sport treiben – und vor allem zu viel, zu fett oder zu süß essen. Wie herrlich ist es, eine leckere Tafel Schokolade zu essen, wenn wir uns nicht gut fühlen?

Unbehagen vermeiden
Ich finde es immer interessant zu erforschen, was dabei eigentlich vermieden wird. Welches Unbehagen liegt unter der Schokolade? Dieses Unbehagen fühlt sich für Klient:innen eher dunkel an. Es befindet sich in unserem Schatten. Wir haben es für uns selbst in eine Ecke gestellt, weil wir es lieber nicht sehen und fühlen. Und wir zeigen es auch lieber nicht anderen. Wenn meine Klientin erkennt, was da eigentlich gegessen wird, können wir es umdrehen. 

Lieb zu dir selbst sein
Wir können das Unbehagen aus dem Schatten ins Licht holen, ins Sichtbare. In vielen Fällen reicht es schon, das zugrunde liegende Thema anzuerkennen und ihm etwas Liebe zu geben. Denn Liebe ist weich und kraftvoll und heilt (fast) alles. Lieb zu dir selbst zu sein, ist essenziell, um an dir selbst zu arbeiten.

Wenn wir dann erfahren, dass das Thema gar nicht so beängstigend oder schlimm war, wie wir dachten, entsteht Ruhe und wir können das Suchen nach Genuss, das Essen der Schokolade, eventuell ersetzen.

Gutes Gefühl
Der Genuss wird dann zu einem guten Gefühl über dich selbst. Zu erfahren, dass du sehr gut für dich selbst sorgen kannst. Alte Überzeugungen, Erfahrungen, die einst wehgetan haben, sind nicht mehr von heute (oder waren nie wirklich von dir), und wenn du dir bewusst bleibst und dir jeden Tag ein bisschen Liebe schenkst, verändert sich alles. Dann isst du dieses unangenehme Gefühl nicht mehr weg, sondern ein Stück Schokolade kann einfach mal lecker sein.

Reste von Unbehagen
Fluchtverhalten, Schmerzvermeidung und Genusssuche kenne ich als Beraterin, aber sicher auch als Mensch. Ich bin nicht besser, mehr oder weniger als meine Klient:innen. Vielleicht etwas bewusster, was schmerzvermeidendes und genussuchendes Verhalten eigentlich ist. Auch ich tauche hin und wieder in diese Schattenseite ein, um zu erforschen, was da noch in der Ecke steht. Das mache ich zum Beispiel, wenn ich von jemandem getriggert werde, denn dieser Trigger zeigt an, dass irgendwo noch ein wenig Unbehagen sitzt.

No mud, no lotus
Niemand ist „angekommen“, wir sind alle unterwegs. Indem wir uns von dem befreien, was uns belastet, wachsen wir. Und erstaunlicherweise nimmt dann plötzlich auch das Gewicht ab. No mud, no lotus, sage ich immer. Du kannst nicht blühen, wenn du nicht durch den Schlamm (die Unannehmlichkeiten) hindurchgehst.

Wir gehen gerne ein Stück mit dir mit – auf dem Weg zu einem leichteren Leben.